Mut im Mittelstand

Kleine und mittlere Unternehmen sitzen auf jeder Menge Eigenkapital. Banken und andere Finanzierer stehen in den Starlöchern, um zukunftsfähige Projekte gemeinsam zu realisieren. Was fehlt, ist die Investitionsbereitschaft.
Illustration: Sören Kunz
Illustration: Sören Kunz
Julia Thiem Redaktion

Manche Wunden sitzen tief – anders lässt sich die Eigenkapitalquote im deutschen Mittelstand heute kaum erklären. Denn während kleine und mittelständische Unternehmen vor zwölf Jahren gerade einmal über eine Eigenkapitalquote von fünf Prozent verfügten, liegt der Median laut aktueller Umfragen des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands heute bei 30 Prozent. Auch das KfW-Mittelstandspanel 2016 kommt auf dieses Ergebnis. Die Finanzkrise hat Unternehmer also vorsichtiger werden lassen. Damals haben vor allem Privatbanken ihr Engagement in der Mittelstandsfinanzierung zurückgefahren, was bei niedriger Eigenkapitalquote viele Unternehmen vor große Herausforderungen gestellt hat. Die neue Vorsicht hat allerdings auch eine eher zögerliche Haltung bei Investitionen zur Folge – sowohl im privaten als auch im öffentlichen Sektor – und die, so kritisiert Michael Wolgast, Chefvolkswirt des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands, müssen erheblich gesteigert werden. Schließlich gelte es, das Geschäftsmodell Deutschlands zu sichern.

Die Zeiten, in denen Kredite Mangelware waren, sind längst vorbei – im Gegenteil, sie sind dank Niedrigzinsumfeld heute günstiger denn je, wie auch Wolgast bestätigt: „Es gibt bei den Krediten heute keine Engpässe mehr und auch die Kapazitätsauslastung im Mittelstand ist hoch. Was fehlt, ist die Investitionsbereitschaft.“ Der Kapitalstock wachse kaum noch und auch die öffentliche Hand lebe heute bereits von der Substanz. Das ist vor allem vor dem Hintergrund der wachsenden Herausforderungen ein Problem, denen sich deutsche Unternehmen stellen müssen. Denn während rund ein Viertel aller Mittelständler – hier sind auch kleine Betriebe eingerechnet – heute bereits international aktiv sind, klafft die Schere beim Thema Digitalisierung deutlich weiter auseinander. „Unsere Umfragen zeigen, dass lediglich zehn Prozent der kleinen und mittelständischen Unternehmen im Bereich Digitalisierung fortgeschritten oder deutlich fortgeschritten sind“, bestätigt Wolgast.

An mangelnden Finanzierungsmöglichkeiten liegt die Zurückhaltung der Unternehmer sicher nicht. Und auch die grundsätzliche Bereitschaft scheint gegeben, wie die im Februar 2016 veröffentlichte Factoring-Studie 2015 des Bundesverbands Factoring für den Mittelstand bestätigt. Fast jedes zweite kleine und mittlere Unternehmen ist laut Befragung offen für Instrumente, die den Bankkredit ergänzen oder ersetzen. Wie also lässt sich die Investitionsbereitschaft steigern? Steuerliche Instrumente sind laut Wolgast eine Option. Vielleicht muss sich der alteingesessene Mittelstand aber auch ein Beispiel an den vielen Start-ups nehmen, die derzeit mal mehr, mal weniger erfolgreich aus dem Boden sprießen. Zwar funktioniert der Finanzierungsgedanke der Venture-Capitalists ganz anders als im klassischen Mittelstand. Hier reicht es, wenn sich eines von zehn Investments amortisiert. Dennoch trauen sich diese jungen Wilden etwas. Und das, so scheint es, fehlt dem Mittelstand heute. Denn Zugang zu Kapital ist es nicht.

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