Anspruchvolles Risikoumfeld

Logistikunternehmen stehen vor einem tiefgreifenden Wandel. Unsicherheiten auf dem Weltmarkt und die Digitalisierung ändern die Rahmenbedingungen für eine ganze Branche.
Anspruchvolles Risikoumfeld
Illustration: Dorothea Pluta
Axel Novak Redaktion

Ölpreis, Weltwirtschaft und Digitalisierung – das sind die großen Herausforderungen, mit denen sich Logistikunternehmen heute auseinandersetzen müssen. Zwar haben die großen Logistiker im vergangen Halbjahr mehr Gewinn erwirtschaftet, dafür aber weniger Waren transportiert und Umsatz gemacht, ergab jüngst ein Bilanzcheck der Deutschen Verkehrszeitung. Deutschlands drittgrößte Branche, die mehr als drei Millionen Menschen beschäftigt, muss ihr Geschäftsmodell weiterentwickeln.

Zum Beispiel sorgt der Ölpreis dafür, dass wichtige Kunden, wie die Maschinen- und Anlagenbauer für die Rohstoffbranche, ihre Investitionen senken. Zwar profitieren die Lastwagenspediteure von niedrigen Spritpreisen, bei der Luft- und Seefracht aber nagen niedrige Frachtraten an den Margen. Dann ist da noch die Unsicherheit über die weitere Entwicklung aufstrebender Industrieländer wie Brasilien, Indien oder China. Viele Unternehmen müssen sich auf ein anspruchsvoller gewordenes Risikoumfeld einstellen, hat der Kreditversicherer Euler Hermes jüngst in einer Studie dargestellt. Das bedeutet: Auch die beteiligten Logistiker müssen in ihren mittelfristigen Perspektiven hohe Risiken einplanen.

Und schließlich die Digitalisierung: Ganz grundsätzlich stellen neue Geschäftsmodelle wie E-Commerce oder plattformbasierte Crowdmodelle das traditionelle Geschäft in Frage. Die Rahmenbedingungen für eine ganze Branche ändern sich. Dazu zählt auch die Neuregelung der International Convention for the Safety of Life at Sea (SOLAS). Seit Juli 2016 sind Unternehmen dazu verpflichtet, vor der Verschiffung für jeden Container ein verifiziertes Gewicht an den Reeder zu übermitteln. In der Praxis hat die Neuregelung zwar kaum Auswirkungen auf die speditionellen Prozesse. Allerdings bleiben die Unternehmen auf den IT-Kosten für SOLAS sitzen: die Systeme, die Verlader und Speditionen mit den Reedern verknüpfen, müssen teils neu aufgesetzt und mit den alten Systemen vieler Beteiligter zusammengeführt werden.

Immer mehr Start-ups im Bereich Logistik und Transport ermöglichen dem Endkunden die direkte und digitale Steuerung von Transporten ohne vermittelnden Logistiker. Die Investitionen in solche Start-ups sind 2015 weltweit auf rund 14 Mrd. US-Dollar gestiegen, rund 180 Prozent mehr als im Vorjahr. „Den großen Transport- und Logistikunternehmen droht hier als Folge in Zukunft der Verlust ihres wichtigsten Assets: der Kundenschnittstelle“, so Steffen Wagner, Partner und Leiter des weltweiten Transport- und Logistiksektors bei KPMG.

Dennoch sind viele traditionelle Logistiker zuversichtlich. „Die Transformationsmacht der aktuellen Digitalisierung liegt in ihrer enormen Geschwindigkeit“, sagte Detlev Trefzger von Kühne&Nagel im vergangenen Jahr auf dem Logistikkongress in Berlin. „Aber wir haben in der Geschichte zahlreiche Transformationen erlebt. Wir haben als Branche davon profitiert – und neue Geschäftsmodelle erfolgreich umgesetzt.“

Nächster Artikel